02.11.2020
Artikel RNZ: Verein "Frauen helfen Frauen" sucht Wohnraum für Opfer von Gewalt.
Eine eigene Wohnung zu finden, ist für viele Frauen schwierig - Frauenhäuser bieten Zufluchtsort - Unrealistische Mietobergrenzen
Kathrin Himmelmann, autonomes Frauenhaus, Marlen Stadtfelder, Interventionsstelle und Jennifer Palencia, Praktikantin im Frauenhaus (v.l.) helfen Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Dringend gesucht wird dabei bezahlbarer Wohnraum. Foto: Friederike Henschel
Von Joris Ufer
Heidelberg. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde vielerorts ein deutlicher Anstieg häuslicher Gewalt verzeichnet. Frauenhäuser bieten den Opfern einen ersten Zufluchtsort und die Mitarbeiterinnen helfen Frauen, wieder eine eigene Wohnung zu finden. Dabei ist die generelle Wohnungsknappheit ein großes Problem, denn viele der Frauen sind auch finanziell schlecht gestellt. Mit dem Projekt "Second Stage" versucht der Verein "Frauen helfen Frauen", private Mietwohnungen für Betroffene zu finden.
Marlen Stadtfelder arbeitet in einer Beratungsstelle des Vereins und ist mitverantwortlich für das Projekt. Sie erklärt, dass private Vermieter oft unsicher seien, was Opfer von Gewalt angeht: "Da stehen viele Ängste dahinter. Sie fragen sich, ob dann demnächst der Mann vor der Tür stehen könnte." Deshalb gehe es ihr und ihren Kolleginnen darum, in Kontakt zu kommen und transparent aufzuklären. Das Engagement trägt Früchte. Stadtfelder berichtet, dass Vermieter, die schon mit ihnen zusammengearbeitet hätten, dem Verein danach immer wieder Wohnungsangebote machten. "Second Stage" gibt es bereits seit Anfang 2019. Bisher wurde das Projekt vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Heidelberg finanziert. Diese Förderung läuft allerdings Ende des Jahres aus und so sucht der Verein mittlerweile eine neue Finanzierungsmöglichkeit.
Während Betroffene aus der Beratungsstelle häufig noch im Berufsleben stehen und selbst für die Miete aufkommen können, werden diejenigen, die im Frauenhaus Schutz suchen, in der Regel nicht nur aus ihrem Umfeld, sondern auch aus ihrem Beruf gerissen. In solchen Fällen übernimmt dann das Jobcenter die Miete. Die Kosten des Programms entstehen laut Stadtfelder hauptsächlich durch den Personalaufwand. Jennifer Palencia ist seit September Praktikantin im Frauenhaus. Die Studentin geht den Frauen tatkräftig zur Hand, hilft beim Ausfüllen von Formularen und war auch schon bei einem Umzug dabei. Sie sei glücklich mit ihrer neuen Stelle: "Es fühlt sich gut an, den Frauen zu helfen", betont sie. "Ich habe schon viel gelernt und möchte diese Arbeit auch nach meinem Studium weitermachen."
Für die Unterbringung der Betroffenen hatte der Verein lange nur Genossenschaften und sozialen Wohnungsbau genutzt. Das habe aber schon vor Corona nicht mehr ausgereicht, um die Frauen schnell unterzubringen. Kathrin Himmelmann vom autonomen Frauenhaus erklärt: "Gerade bei Frauen mit mehreren Kindern ist das schwierig. Es dauert teilweise eineinhalb Jahre, bis wir Wohnungen für sie gefunden haben." Himmelmann plädiert deshalb für mehr bezahlbaren Wohnraum in sozial durchmischten Gegenden.
Oft scheitere die Wohnungsfindung aber auch an dem strukturellen Problem der Mietobergrenzen, die häufig nicht mit der Realität der Marktpreise vereinbar seien. Auf der Webseite des Jobcenters sind sie für jeden Stadtteil genau festgelegt. So soll beispielsweise eine 75-Quadratmeter-Wohnung in der Altstadt oder Handschuhsheim für drei Personen nicht mehr als 652,50 Euro Grundmiete kosten dürfen. In diesen engen Grenzen kann die Wohnungsgesellschaft kein großes Angebot bereitstellen. "Frauen helfen Frauen" ist daher weiter auf der Suche nach privaten Vermietern mit freiem Wohnraum.
Rhein Neckar Zeitung 2.11.2020.
Link zur online Version: https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-verein-frauen-helfen-frauen-sucht-wohnraum-fuer-opfer-von-gewalt-_arid,573507.html